Franz Fayot: “Stock-Options – ein nicht zu rechtfertigendes Steuergeschenk”

Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung des Berichts „Travail et cohésion sociale 2017“ durch das Statec,der auf die Folgen der steigenden Ungleichheiten und insbesondere auf die Effekte der Armut auf die Gesundheit eingeht, flammt auch die Diskussion umdas Steuerregime der Stock-Options wiederauf. Eine lang verborgen gebliebene Steuernische in der Personenbesteuerung,die nicht unwesentlich zur immer größer aufgehenden Schere zwischen sehr arm und sehr reich hierzulande beiträgt.

Stock-Options, versteckt hinter einer gewissen Technizität, sind im Kern Steuervorteile, die es Großverdienern im Finanzsektor erlauben, bis zur Hälfte ihres Einkommens zu einem Steuersatz von aktuell 13% (im Fall der angedeuteten Reform wären es 21%), anstatt zum maximalen Steuersatz von 42% zu versteuern. Ein massives Steuergeschenk also.

Dieses Geschenk wurde auf Anordnung von Finanzminister Luc Frieden per Rundschreiben des Direktors der Steuerverwaltung L.I.R. n°104/2 vom 11. Januar 2002 eingeführt und durch ein weiteres Rundschreiben vom 20. Dezember 2012 leicht geändert. Da bis dato nie ein Inventar der bestehenden Stock-Option-Pläne gemacht wurde, unter dem Motto „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, hat die Steuerverwaltung unter dieser Regierung durch Rundschreiben L.I.R. n°104/2bis vom 28. Dezember 2015 eine Bestandsaufnahme der bestehenden und angefragten Stock-Option-Pläne angeordnet. Eine begrüßenswerte Initiative, die, wie aus den Vorgesprächen und Debatten zur Steuerreform von 2016 zu entnehmen war, eine grundlegende Reform und einen Ausstieg aus dem völlig aus den Fugen geratenen Ausnahmesystem vorbereiten sollte.

In der Tat beantwortete der Finanzminister am 28. Februar 2017 eine parlamentarische Frage dahingehend, dass Stock-Option-Pläne jährlich zu einer Mindereinnahme von ungefähr 150-180 Millionen Euro führen. In dem vom Land -Journalisten Bernard Thomas zu Recht angeführten Vergleich brachte der „Impôt d’équilibrage budgétaire“, der durch den „Zukunftspak“ eingeführt wurde, dem Luxemburger Staat 80 Millionen Euro im Jahr 2016 ein. Die Anhebung des Steuersatzes der Mehrwertsteuer (TVA) von 15% auf 17%, um den Ausfall der Einnahmen durch den elektronischen Handel zu kompensieren, brachte dem Staat ungefähr 300 Millionen Euro ein. Wohlbemerkt ist die Mehrwertsteuer die sozial ungerechtere Steuer, da sie die Kleinverdiener unverhältnismäßig härter trifft als die hohen Einkommen.

Um ihre Gans mitsamt ihren goldenen Eiern zu retten, haben die beratenden Consulting-Firmen („big four“ oder auch noch „fat four“) und die paar Banken, die diese Stock-Option emittieren, in einem Kartell-ähnlichen Verfahren 2016 beschlossen, den Genuss der Stock-Option-Pläne künftig auf die „big tickets“ zu begrenzen, d.h. auf Angestellte, die über ein Jahreseinkommen von mehr als 350.000 Euro verfügen. Das heißt dann wiederum, dass diese steuerlichen „weapons of mass destruction“ nur noch für die wirklichen Großverdiener greifen. Das unter Luc Frieden eingeführte Steuergeschenk wirkt sich also somit gleich doppelt sozial ungerecht aus – weil es strikt auf hohe Einkommen einerseits und den Finanzsektor andererseits begrenzt ist. „Normale“ Erwerbstätige und sogar höhere Einkommen, die nicht auf solche Steuertricks zurückgreifen können, zahlen ihre Steuern unter Anwendung von gängigen progressiven Steuersätzen. Erschwerend kommt noch dazu, dass die Stock-Options gegen die Verfassung verstoßen, da sie eine ungleiche Behandlung vor der Steuer per amtliches Rundschreiben, und nicht per Gesetz, wie die Verfassung es verlangt, verfügen (was auch bereits 2012 vom Staatsrat moniert wurde).

Das Steuergeschenk an Großverdiener im Finanzsektor wird oftmals mit Wettbewerbsgründen gerechtfertigt. So ist in einer Meldung aus dem Land vom 20. Oktober 2017 zu lesen, dass Michel Wurth, Vorsitzender der UEL, Ende September in einem Brief an den Finanzminister ein Beibehalten des Steuerregimes fordert, im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten des Brexit. Ein Narrativ, das dann auch fast wortgleich vom liberalen Finanzminister und ehemaligen Direktor der Handelskammer übernommen wird. Man fühlt sich an Roland Gori erinnert, den Autoren von „Un monde sans esprit“, der in der heutigen finanzmarktkapitalistischen Welt Politiker als bloße „fondés de pouvoirs“ der Wirtschaftskapitäne betrachtet.

Die eigentliche politische Frage ist, ob wir als Land wirklich auf Leute angewiesen sind, die in unserem Land sehr viel Geld verdienen wollen, dazu jedoch vom Staat noch einen fetten Rabatt auf ihre aufzubringenden Steuern verlangen? Es ist bekannt, dass Top-Manager in der Finanzindustrie an spezielle Tax-Deals gewohnt sind. In London ist es der „non-domiciled resident status“, der es erlaubt, nur auf einheimischen Einkommen besteuert zu werden, in Luxemburg und in manchen anderen Ländern sind es wiederum andere Deals und Ausnahmetatbestände.

Aber sind diese gerechtfertigt? Welche Ideologie unterstützt man, wenn man Sonderregimes für Großverdiener zulässt? Muss man, oder soll man, solchen Anforderungen nun in Luxemburg nachgehen? Fühlen diese Leute sich noch als Mitbürger, oder nur als Söldner, die sich, mehr oder weniger in die Provinz strafversetzt, in Luxemburg zumindest einen begünstigten Steuersatz erwarten?

Die Stock-Options stellen also auch die Frage nach der Art von Gesellschaft, die wir möchten, die Frage nach dem Zusammenleben in Luxemburg und dem Auseinanderdriften der verschiedenen Schichten dieser Gesellschaft. Welchen politischen und gesellschaftlichen Preis müssen wir, oder wollen wir, zahlen für ein immerwährendes Wirtschaftswachstum? Ich bin der Meinung, dass diese Art von Stock-Option-Plänen nicht zu rechtfertigen sind, weil:

1. sie eine unbegründete und ungerechte Behandlung von normalen Erwerbstätigen gegenüber Großverdienern aus dem Finanzsektor mit sich bringen;

2. sie einer Gegenfinanzierung durch Anhebung anderer, sozial ungerechter Steuern wie der Mehrwertsteuer bedürfen;

3. sie auch nicht die angestrebte Anbindung und den angeblichen Ansporn im Interesse des Arbeitgebers fördern, weil die meisten Stock-Option-Pläne sich gar nicht auf Aktien des Arbeitnehmers beziehen.

Aus diesen Gründen fordere ich eine Beendigung dieser Steuernische in absehbarer Zukunft (über zwei bis drei Jahre) und eine Begrenzung von steuerbegünstigten Stock-Options auf Aktien des eigenen Betriebs oder den gesamten Konzern des Arbeitnehmers. Auch das wäre ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit. Denn unser Land ist kein Selbstbedienungsladen für Großverdiener, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in Form von gerechten Steuern für alle nicht stellen wollen.

Franz Fayot

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