“Viel Bauland in der Hand von einigen wenigen” – Meinungsartikel von Yves Cruchten

Es ist müßig, zu betonen, dass die Situation auf dem Wohnungsmarkt eines der größten nicht nur politischen, sondern zusehends auch sozialen Probleme Luxemburgs darstellt. Vor allem jene Personen, die riskieren, in die Armut abzurutschen, leiden unter den hiesigen Wohnungspreisen. Aber eben nicht nur diese.

Haushalte und Familien mit „normalen“ Einkommen laufen zunehmend Gefahr, finanziell nicht mehr über die Runden zu kommen, wenn Mieten und Wohnungspreise weiter steigen. Beliefen sich die Wohnungsausgaben eines durchschnittlichen Haushalts 1964 noch auf 18,7 Prozent des Gesamteinkommens, waren es 2009 bereits 34,4 Prozent, um im vergangenen Jahr nicht weniger als 38 Prozent zu erreichen. Die Wohnkosten werden demnach zu einer immer größeren Belastung im privaten Budget.

Die Regierungen der vergangenen mindestens drei Jahrzehnte haben – das muss man auch selbstkritisch eingestehen – die Lage auf dem Wohnungsmarkt vielleicht nicht verkannt, aber zumindest in ihrer Komplexität teilweise unter- oder falsch eingeschätzt. Zwar wurden diverse Maßnahmen ergriffen, um die sozialen Auswirkungen der stetigen Preissteigerungen einzudämmen, nur haben sie nicht die erhoffte Durchschlagskraft entwickelt. Denn es mangelte vor allem auch an der nötigen politischen Courage, den Großgrundbesitzern auf die Füße zu treten.

Konsequente Erweiterung des sozialen Mietwohnungsbaus

Politische Einigkeit besteht soweit aber darin, dass ein zentraler Ansatz zur Problemlösung in einer erheblichen Steigerung des Wohnungsangebots liegt. In den Augen der Sozialisten vor allem in der konsequenten Erweiterung des sozialen Mietwohnungsbaus.

Eine möglichst effiziente Herangehensweise an dieses Ziel setzt allerdings die strukturelle Kenntnis der Besitzverhältnisse der Baulandreserven voraus. Detaillierte Informationen, die hierzulande allerdings fehlen.

In ihrer Antwort auf eine von mir und Franz Fayot an die Minister für Finanzen und Wohnungsbau gerichteten parlamentarischen Frage (Nr. 3758 vom 13. April 2018) erklärten diese, dass sich laut der letzten Erfassung im Jahr 2016 die nationalen Baulandreserven auf insgesamt 2.846 Hektar belaufen, wovon sich 64 Prozent bzw. 15,7 Prozent im Besitz von Privatpersonen bzw. Gesellschaften befinden (nur knapp 10% sind in öffentlicher Hand!). Besagte Zahlen geben allerdings weder Aufschluss über die Konzentration des Grundbesitzes noch über die sozio-professionelle Typologie der privaten Besitzer oder über Typ und Nationalität der Gesellschaften, die über Grundbesitz verfügen. Genau diese Informationen sind zum Ergreifen gezielter politischer Maßnahmen im Sinne einer Mobilisierung von Bauland zwecks schnellerer Schaffung von Wohnraum aber unabdingbar. Die verantwortlichen Minister haben in der angesprochenen Antwort unsere Meinung geteilt und erklärt, dass eine Forschungsstudie des Liser („Luxembourg Institute of Socio-Economic Research“) – im Rahmen des „Observatoire de l’habitat“) dabei sei, erstellt zu werden. Diese soll es erlauben, den Anteil an Besitzern von einem bebaubaren Grundstück bzw. den Anteil an Besitzern, die mehrere Liegenschaften ihr Eigen nennen, zu quantifizieren.

Typologie der Gesellschaften, denen Liegenschaften gehören

Außerdem soll mit der Studie eine Typologie der Gesellschaften, denen Liegenschaften gehören, erstellt werden. In anderen Worten soll klar erkennbar werden, ob es sich bei den Grundstücksbesitzern um Handelsfirmen, Investmentgesellschaften oder um andere Gesellschaftsformen handelt.

Die anfänglich für Herbst 2018 angekündigte Studie, zusammen mit weiteren Erhebungen und Analysen, soll nun am 28. Februar von der neuen Wohnungsbauministerin im zuständigen Parlamentsausschuss vorgestellt werden.

Ohne an dieser Stelle den Ergebnissen der Studie vorgreifen zu wollen, aber: Sollte sich wirklich bewahrheiten, was Insider bereits seit geraumer Zeit hinter vorgehaltener Hand erzählen – nämlich dass sich ein absoluter Großteil der bebaubaren Flächen (die Rede geht von rund drei Viertel) in der Hand von einigen wenigen tausend Privatpersonen befindet, von denen einige Liegenschaften von hundert Hektar und mehr besitzen –, dann hat Luxemburg ein Problem. Oder anders ausgedrückt: Luxemburgs Wohnungsbauproblem hat, zumindest teilweise, einen Namen: viel Bauland in der Hand von einigen wenigen.

Wenn einigen wenigen Menschen hier im Land ein Großteil des Baugrundes gehört, bedeutet dies in einer kapitalistischen Marktwirtschaft nichts anderes, als dass diese privilegierten Besitzer aufgrund ihres Besitzes die Preise auf dem Luxemburger Wohnungsmarkt diktieren und ihre finanziellen Interessen auf Kosten einer zum Scheitern verurteilten Wohnungsbaupolitik durchsetzen.

Von denjenigen, die nicht wollen, dass sich an dieser Schieflage etwas ändert, wird immer wieder die Geschichte der „armen Oma“ vorgeschoben, die ihr „kleines Kartoffelfeld“ aus sentimentalen Gründen zurückbehält, um es in einigen Jahren zwecks Hausbau an die eigenen Kinder weiterzugeben. Oder das Klischee des „armen Bauern“, der nur einen sehr bescheidenen Nutzen aus seinen Ländereien zieht. Doch diese Geschichten könnten sich als Mär entpuppen, als von der Politik wohlwollend geschluckter Vorwand, der es Großgrundbesitzern erlaubt, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern. Den Schaden haben in Wirklichkeit alle „armen Omas“ und andere Klein- und Mittelverdiener, ebenso wie die vielen Landwirte, die horrende Pachtpreise an Spekulanten zahlen müssen.

Keine Selbstregelung des Marktes

Sollte sich diese Situation durch die Liser-Studie bestätigen, muss die Politik schnellstmöglich konkrete Maßnahmen ergreifen, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Der „Markt“ regelt sich (auch) in diesem Fall nicht von alleine.

Dabei muss klar unterschieden werden z.B. zwischen Investitionsgesellschaften, die aus reinen Profitinteressen ganze Landstriche aufgekauft haben, landwirtschaftlichen Flächen, die Bauern als Produktionsmittel dienen, und Hauseigentümern mit ein paar Ar Garten, die Jahrzehnte Schulden abbezahlt haben, um sich den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen zu können.

Reiche Spekulanten dürfen sich in Zukunft nicht mehr hinter Eigenheimbesitzern verstecken, die um ihr hart Erspartes fürchten, wenn die Worte „Vermögenssteuer“ oder „Erbschaftssteuer“ fallen. Steuern sind nun mal eines der Instrumente, über die die Politik verfügt, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Wenn die Politik nichts unternimmt, wird die Ungleichheit weiter wachsen. Der Graben besteht nicht mehr sosehr zwischen den sozial Schwächsten und einer wohlhabenden Mittelschicht, sondern zwischen wenigen Super-Reichen und dem Rest der Gesellschaft.

Eine gerechte Steuerreform muss diesem Umstand Rechnung tragen. Es ist möglich, Spekulation auf Landbesitz einzudämmen, ohne die Mittelschicht zu schröpfen. Gezielte Maßnahmen in diesem Sinn sollten unbedingt Bestandteil der Neugestaltung der Grundsteuer sein.

Vielleicht schlägt am kommenden Donnerstag ja die Stunde der immobilienpolitischen Wahrheit und die Politik kann zeigen, wie ernst es ihr mit der fraktionsübergreifend geforderten Wohnungsbauoffensive wirklich ist.

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